Das Forschungsprojekt "Servitengasse 1938" brachte zutage, dass die Hälfte der Menschen, die in der Servitengasse gewohnt, Häuser besessen, Geschäfte oder Firmen betrieben hatten, nach den NS-Rassegesetzen als jüdisch galten. Um dieser Verfolgten zu gedenken suchten wir nach einer würdigen Form, bis schließlich die Idee geboren wurde, die Gestaltung dieses Gedenksymbols KünstlerInnen zu überlassen.
Für die Gestaltung des Denkmals wurde in Zusammenarbeit mit der Universität für angewandte Kunst Wien ein zweistufiger Wettbewerb für Studierende sowie Absolventen und Absolventinnen ausgelobt. Berücksichtigung finden sollten die Namen aller Vertriebenen und Ermordeten, auch die Möglichkeit, Steine zum Zeichen des Gedenkens abzulegen, wie dies im Judentum bei Gräberbesuchen üblich ist und einige mehr.
Aus den insgesamt 23 Einreichungen wurden von einer renommierten Fachjury (ProfessorInnen, KünstlerInnen, Vertreter der IKG, der MA7 und des Vereins) drei Siegerprojekte ausgewählt und in einer feierlichen Präsentation der Siegerprojekte im April 2007 präsentiert. Umgesetzt wurde jenes von Julia Schulz, Studentin der transmedialen Kunst : Die Schlüssel-gegen-das-Vergessen.
Eine in den Boden eingelassene Glasvitrine gibt den Blick frei auf 462 Schlüssel. Diese Schlüssel sind versehen mit Namenschildern. Sie symbolisieren, dass hier Menschen gelebt, gearbeitet und gewohnt haben, aus dieser Gasse vertrieben wurden und vergessen waren. Sie symbolisieren aber auch das Wiederfinden und das Erinnern an ihre Namen. Als Name für das Symbol hat sich der Begriff „Schlüssel gegen das Vergessen“ etabliert.
Die Idee für das Symbol wurde allseits sehr positiv aufgenommen, aber das Errichten eines – wenn auch kleinen – Baukörpers auf öffentlichem Grund, ist ein langwieriger Marathon an Genehmigungsschritten. Relativ rasch klar war, dass so, wie von Julia Schulz gezeichnet, eine einfache Vitrine mitten am Platz, wegen Rutschgefahr auf der Glasplatte nicht umsetzbar war. Ein Geländer rund um das Symbol verhindert das Betreten verhindern und muss für Blinde und Sehbehinderte mit dem Langstock ertastbar sein. Eine Gasleitung musste umgeleitet werden, damit Strom zur Beleuchtung nicht über ein Gasrohr verlegt ist. Die Glasplatte muss auch einen Feuerwehreinsatz darauf aushalten, ein Stolpern verhindert werden und die Kosten für all diese Maßnahmen gesichert sein. Aufgabe, die den Verein fast ein Jahr auf Trab hielten.
Schließlich war auch noch die Umsetzung des Symbols selbst, mit einem massiven Betonsockel und der Edelstahlwanne, eine technische Herausforderung. Die alten Schlüssel als Symbol für jene, die die Verfolgten den Ariseuren übergeben mussten, wurden in der ganzen Rossau von AnrainerInnen gespendet. Die letzte Emailschildbeschriftungsfirma in Wien produzierte die 462 Namensschilder und die Künstlerin selbst montierte die Schlüsseln samt Namensschilder. Anfang April 2008 wurde das Symbol schließlich in die Pflastersteine am Servitenplatz eingelassen, das Geländer rundherum montiert und die Pflasterung millimetergenau wieder vorgenommen. Damit war das Symbol „Schlüssel gegen das Vergessen“ errichtet.
Am 8. April 2008 also im Gedenkjahr 70 Jahre „Anschluss“ konnte das Siegerprojekt des Wettbewerbs enthüllt werden. In einer großen Veranstaltung mit Reden von Vertretern der Politik (Stadtrat Mailath-Pokorny, BV Martina Malyar) der Sponsoren und des Vereins, sowie Exil-Literatur gelesen von Miguel Herz-Kestranek und Musik von Roman Grinberg wurde die Arbeit der letzten Jahre beleuchtet. Als Höhepunkt wurde das Gedenksymbol von vier überlebenden Zeitzeugen aus der Servitengasse feierlich enthüllt. Oberrabiner Chaim Eisenberg sprach einen Chaddisch und drückte seine Hoffnung aus, dass das Symbol als Mahnmal im Grätzl wirken solle.
In den Jahren seit der Enthüllung ist das Symbol zu einem kleinen Zentrum im Servitenviertel geworden. Jeden Tag stehen immer wieder Menschengruppen rund um das Symbol. Es wird von Schulen in der Umgebung in das Lehrprogramm aufgenommen, Eltern versuchen Ihren Kindern den Grauen der Shoah an Hand der Schlüssel zu erklären und auch Touristen kommen vorbei. Immer wieder kommen BewohnerInnen aus der Umgebung mit Besuchern um Ihnen „ihr“ Gedenksymbol zu zeigen. Auch Nachkommen von Überlebenden besuchen das Symbol und suchen nach dem Schlüssel(n) Ihrer Verwandten. Mache, wie z.B. die Großfamilie Günsberger, sind dabei auch mit VertreterInnen des Vereins zusammengekommen und konnten mehr über das Projekt erfahren.
Regelmäßig kommen Gruppen der Führungen zum jüdischen Wien beim Symbol vorbei und erfahren die Fakten und den Background des Projekts. Auch Gruppen von StudentInnen der University of Victoria in Kanada kommen regelmäßig vorbei. Es gibt einen interreligiösen Pfad des Bezirks der beim Symbol endet und das Symbol ist in manchen Reiseführern aufgeführt. Das Symbol wird in Filmen, wie zum Beispiel von Claude Lanzmann ebenso verwendet, wie in wissenschaftlichen Arbeiten.
Seit 2009 findet jedes Jahr auch eine Gedenkstunde zur Erinnerung an die Novemberpogrome rund um den 9. November beim Symbol „Schlüssel gegen das Vergessen“ statt. Damit es auch weiterhin ohne Devastierungen oder Beschmierungen den Betrachtern zur Verfügung steht, wird das Symbol regelmäßig von VertreterInnen des Vereins Servitengasse 1938 geputzt.